Theater, Theater, Theater – willkommen auf der Bühne der Bewerbungsgespräche

Vorhang auf, Scheinwerfer an: Das Bewerbungsgespräch – ein Schauspiel in drei Akten. Die Rollen sind mal mehr, mal weniger überzeugend gespielt, die Dialoge vom Drehbuchautor vorgegeben. Am Ende bleiben ein paar Stunden der Freude, Dramatik, Liebesbeziehung oder Tragik. Und schneller als das Publikum den Saal verlässt, ist der schöne Schein erloschen. Die Kostüme werden abgelegt, die Masken fallen und zurückbleibt nur der Mensch hinter der Rolle.

Was hat nun diese Metapher mit unseren Erwartungen zu tun? Im Theater dürfen wir uns verzaubern lassen, träumen und der wahren Welt für ein paar Stunden entfliehen. Wenn es um Bewerbungsgespräche geht, sollten wir allerdings den Vorhang lüften und einen Blick hinter die Kulissen wagen. Denn hier zählt ein sich in Szene setzen und das in aller Ehrlichkeit und Authentizität mehr als jede Inszenierung.

Und so folgt ein offener Brief – zwar weniger dramatisch als ein Monolog Hamlets, doch gespickt mit ungesagten Gedanken eines Bewerbers, die seine Erwartungshaltung widerspiegeln. Die Zeilen sollen zum Nachdenken anregen, ob wir nicht alle ein bisschen zu sehr Schauspieler im „Karriere-Stück“ sind.

Sehr geehrte Personalentscheidende,

ich ergreife die Feder – oder in modernen Zeiten wohl eher die Tastatur –, um ein wenig Licht ins Dunkel unserer gegenseitigen Erwartungshaltungen zu bringen. Es ist ein heiteres Versteckspiel, das wir gerade spielen, nicht wahr? Ein bisschen wie eine Runde „Wer bin ich?“

Mit meinem Lebenslauf in der Hand stand ich da – blitzblank poliert und bereit für den großen Auftritt. Mir gegenüber brillierte Ihr Unternehmen mit Worten wie Mehrwert, Kommunikation, Erfolg – doch was genau meinen Sie damit? Auch blieb eine Frage im Raum hängen wie der letzte Ton eines Klavierkonzerts: Was erwarten wir eigentlich voneinander?

Beginnen wir einmal mit der Lücke in meinem Lebenslauf. Zugegeben fiel es mir nicht leicht, diese anzusprechen, doch wie heißt so schön „Stehe zu deinen Fehlern“. Die Lücke? Ja, sie ist nicht unbedingt der glanzvollste Teil meiner Karriere. Ebenso wenig ist sie meine Schwäche, sondern einfach ein Zeugnis meiner Entwicklung. Und damit vielleicht das bedeutendste Jahr meines Lebens … Als ich diese offenlegte, begegneten mir erhobene Augenbrauen, anstatt konkrete Aussagen, warum dies einen bitteren Geschmack für Sie hat.

Kommen wir zur Verantwortung – ja, ich will sie übernehmen! Was genau das in Ihrem Unternehmen bedeutet, weiß ich auch nach unserem Zusammentreffen nicht. Ich meine, ich bin bereit für vieles, doch Ihre Pflanzen gießen und Ihren Hund ausführen? Vielleicht sollten wir erstmal bei den konkreten Arbeitsaufgaben bleiben.

Kommunikation ist das A und O hieß es weiter und dass Sie diese regelmäßig pflegen. Nun, wenn mir meine unliebsame Großtante einmal im Jahr eine Weihnachtskarte schreibt, ist dies für mich ebenso von Regelmäßigkeit geprägt, wie das allabendliche Gespräch mit meiner Frau. Was also bedeutet regelmäßig in Ihrem Unternehmenskontext? Täglich, wöchentlich, jährlich? Wir brauchen hier Klarheit statt Konfusion.

Und dann sind da noch die Fragen nach der Führung – dem Führen und geführt werden. Ein essenzieller Aspekt jeder Position. Als ich versuchte herauszufinden, wie dies bei Ihnen im Unternehmen gelebt wird, fühlte ich mich wie beim Bingo. Es wird mit bedeutungslosen Worten und Floskeln um sich geworfen: Eigenverantwortung, modernes Leadership, Teamwork, Feedback usw. Wenn es derer genug waren, erhofften Sie sich ein Bingo und damit das Go zu weiteren Fragen. Es lässt mich ratlos zurück und mit dem Gefühl, dass wichtige Details im Dunkeln bleiben.

Sie gehen davon aus, dass ich mich bewusst auf diese Position beworben habe, was natürlich der Wahrheit entspricht. Damit ist für Sie schon vieles klar, schließlich stand es doch bereits in der Stellenausschreibung. Doch wie kann etwas für mich klar sein nach einem Gespräch voller Phrasen und vager Andeutungen? Ich wünsche mir konkrete Aussagen – ein solides Fundament für unsere potenzielle Zusammenarbeit.

Es ist Zeit für Klärung – Zeit für uns beide, unsere Karten auf den Tisch zu legen und unsere Erwartungen unverschleiert zu benennen.

In Vorfreude auf Ihre Antwort verbleibe ich mit besten Grüßen.

Ihr Bewerber

Finale ohne Fassade – Vorhang auf für Klarheit

Lassen Sie uns das Rampenlicht abschließend noch einmal auf die Bühne des Bewerbungsgesprächs richten. Haben Sie sich je gefragt, ob Ihre Bewerber nach einem Zusammentreffen ähnliche Gedankenspiele vollführen?

Wenn Sie zum Beispiel von flachen Hierarchien sprechen, könnte dies im Geiste Ihres Gegenübers ein Bild von einer utopischen Arbeitswelt malen, in der Führungskräfte – spitz gesagt – Kraft ihres Amtes walten, doch eben nichts zu melden haben und lediglich auf dem Papier existieren. Doch wenn Ihre Definition von flacher Hierarchie bedeutet, dass jederzeit ein offenes Ohr bei den Vorgesetzten zu finden ist – ohne bürokratische Hürden – dann schreiben Sie ein ganz anderes Stück. Wie konkret sind also Ihre Ausführungen wirklich? Sind es nur vage Andeutungen oder sorgen sie für Klarheit?

Ein Bewerbungsgespräch sollte kein Theaterstück sein, sondern vielmehr eine Generalprobe für eine erfolgreiche Zusammenarbeit – ehrlich, konkret, direkt. Wenn Sie bei diesem Thema noch einen Sparringspartner suchen, melden Sie sich gerne bei mir, denn ich habe es zugegeben satt, dass Sie mich erst dann rufen, wenn der Konflikt tobt und Sie Ihre eigene Grenze der Kommunikation überschritten haben ...