Mensch, ich hab’s eilig … Jetzt machen Sie doch mal hin!
Letzte Woche Donnerstag. Eben schnell im Supermarkt noch ein paar Weintrauben holen, die lassen sich während der Fahrt gut essen. Um die Zeit sollte es leer sein, die meisten Geschäfte haben schon geschlossen, das geht zackzack. Sollte es auch, der nächste Telefontermin steht an. Und dann an der Kasse … Nee jetzt, oder? Das kann doch wohl nicht wahr sein! Der Tag hat 24 Stunden … das ist jetzt nicht deren Ernst, dass dieses Rentnerpaar jetzt einkauft und im Geldbeutel die Münzen einzeln zusammensucht…
Wenn Mitgefühl zur Herausforderung wird
Sich wirklich in andere Menschen Hineindenken und Hineinfühlen. Wir wissen es doch, wie bedeutend Empathie ist. Richtig: Empathie übersteht keine unendlichen Strapazen und irgendwann können wir nicht mehr. Ich nehme mich da nicht aus: Der berufliche Alltag fordert uns hierin schon so einiges ab und manchmal brauche ich dafür gar nicht aus dem Haus zu gehen, wenn daheim bereits ausreichend vom Empathiekonto abgebucht wird.
Die Kunst der Empathie in der heutigen Gesellschaft
Die Situation im Supermarkt mag trivial erscheinen. Ich erinnerte mich in dem Moment, in dem meine Nerven schon leicht am Bodensatz angekommen waren, an eine Stunde im Rahmen meines ehrenamtlichen Engagements bei einer Hilfsorganisation. An diesem Dienstabend hatten wir die Gelegenheit mal kurz hineinzuspüren, wie es ist, in einem Körper zu sein, der bereits viele Lebensjahre gemeistert hat und den wir mit „alt“ betiteln. Es galt, in einem Spezialanzug, der uns in eben diese „seniore Lebensphase“ manövrierte, und einer präparierten Brille, die das Sehvermögen einschränkte, sowie einem Schalldämpfer auf den Ohren, der das Hörvermögen senkte, eine Treppe zu gehen und mit besonderen Handschuhen ausgestattet etwas zu greifen. Das Schreiben eines einfachen Einkaufszettels und das Lesen in einer Zeitung … unfassbar, wie schwer das ging. Von der Unterhaltung will ich gar nicht erst anfangen … Am Ende der Übungen hätten wir eine Stecknadel fallen hören können. So betroffen hat uns das Gefühl davon gemacht, wie es einem in die Jahre gekommenen Menschen geht. Tief erfüllt in dem Moment, dass wir nur einen Anzug angezogen hatten, den wir am Ende der Übung wieder ablegen konnten.
Ja, manche Tage sind … nennen wir sie „bescheiden“. Und ja, Zeit hat heute irgendwie niemand mehr - komisch, oder? Der Tag hat früher wie heute 24 Stunden und das wird sich vermutlich auch nicht ändern … - und dennoch, oder auch gerade deswegen, ist es unsere Aufgabe und Pflicht, sich bewusst Gedanken über die eigene Reaktion zu machen. Empathie bedeutet, Geduld zu zeigen und Rücksicht auf die Bedürfnisse anderer zu nehmen. Sie hilft uns, zwischenmenschliche Beziehungen zu stärken und ein harmonisches soziales Umfeld zu schaffen – nicht nur im Supermarkt. Ich achte seit letzter Woche Donnerstag wieder vermehrt darauf. Vielleicht mögen Sie es mir nachmachen.
Übrigens … Als ich an der Kasse gezahlt hatte und im Begriff war, aus dem Laden zu stürzen, sah ich am Ausgang das Rentnerpaar. Er zog mit einer Hand den Einkaufstrolley hinter sich her und hielt mit der anderen Hand die Hand seiner sich auf einen Stock stützenden Frau. „Kommen Sie gut nach Hause!“
Weitere Anregungen und Impulse für Führungspersönlichkeiten gibt es auch in meinem Buch „Fakten brauchen Hirn: 5 Sterne für Leader.“ Lesen Sie gerne rein.