Ist Ihrer angezogen oder nackig

„Im Falle eines Druckverlustes fallen automatisch Sauerstoffmasken aus der Kabinendecke. Ziehen Sie eine der Masken zu sich heran und drücken Sie sie fest auf Mund und Nase. Atmen Sie normal weiter. Helfen Sie danach Kindern und hilfsbedürftigen Menschen.“ Alle, die schon einmal geflogen sind, kennen diese Sätze.
„Na, das ist ja im Grunde ganz schön egoistisch.“ Nein, sich daran nicht zu halten, das wäre egoistisch. Denn wenn ich mich im Flugzeug nicht selbst stabilisiere und deswegen in Ohnmacht falle, bin ich in nur 20 Sekunden das Gegenteil von dem, von dem ich jetzt sage: Boah, ist das egoistisch

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Wir durchleben vermutlich alle Phasen, in denen wir denken, dass wir der Nabel der Welt sind. Wir sind alle Egoisten. Manche weniger – sie ziehen dem Egoismus etwas über, andere zeigen ihren Egoismus als Nackedei. Da gibt es ja auch Situationen, in denen einen die Freude, etwas geschafft zu haben, so was von packt! Und zack steht sie, die Meinung, der oder die Größte zu sein. Also ich bin da direkt mit dabei. Allein der Gedanke an meine Hotelmeisterprüfung damals. Ach, was hielt ich mich für wichtig. Gut, das geht dann auch wieder vorbei. Bei den meisten zumindest. Auch ich wurde zum Glück damals sehr zügig wieder geerdet. Es galt zu dienen. Ja, auch ich fand das als „junges Ding“ nicht immer sexy, doch heute feiere ich das und lebe diese Haltung in aller Überzeugung aus mir selbst heraus. Und am liebsten, ohne groß darüber zu reden, sondern einfach machen.

Teil der Szene ohne Inszenierung

Sich selbst zurücknehmen. Unauffällig sein. Aus dem Hintergrund agieren. Präsent sein, ohne aufzufallen und dennoch Regie führen. Das hatte in keinem Moment etwas mit Unterwürfigkeit zu tun. Es war der tiefe Wunsch, andere scheinen zu lassen. Anderen eine Freude zu bereiten, ein schönes Gasterlebnis zu schenken, eine Wohlfühlzeit. All das aus einem gewissen Selbstverständnis heraus. Irgendwie waren wir als Team, und damit auch jede einzelne Person als „ich“, Teil der Szene, ohne zu inszenieren.

All das braucht ein starkes Selbstbewusstsein. Auch eine gewisse überbordende Energie. Davon abgesehen, dass das allein keiner schafft. Es braucht eine von innen heraus gelebte Herzlichkeit. Klarheit und Zielstrebigkeit. Ein Streben nach Verlässlichkeit und Stabilität. Authentizität. Aus dieser Haltung heraus zu agieren, ist für mich noch heute eine Herzensangelegenheit und das mit dem tief verwurzelten Wunsch, andere Herzen damit zum Hüpfen zu bringen. Ja, in gewisser Weise ein Erlebnis zu sein, doch eben eines, was anderen guttut, an die anderen denkt. Und authentisch geht das eben nur dann, wenn ich ausreichend an mich selbst denke, oder andersherum, mich selbst nicht vergesse.

Vornehme Zurückhaltung vs. Selbstinszenierung

Heute passiert es mir immer mal wieder, dass ich das andersherum antreffe. So wie ich seiner Zeit in der „vornehmen Zurückhaltung“ groß wurde und mich damit heute durchaus dann und wann in der Selbstinszenierung schwertue, so treffe ich heute auf angehende Führungspersönlichkeiten, die mit eben jener Selbstinszenierung groß geworden sind. Es gibt wohl kaum eine bessere Bühne dafür als das soziale Netz. Hier noch ein Selfie, dort noch ein eigenes Video und wer nicht aufpasst, ist schnell in dem Kreisel gefangen, der nach höher, schneller, weiter ruft. Oder wenigstens nach „Bitte auffallen!“

„Ich habe hier das Sagen“

Da ist der Restaurantleiter, der mit Flipflops zum Dienst kommt und das mega cool findet. Und bitte, ich spreche jetzt nicht von einer „hippen Bude“, sondern von einer gehobenen Gastronomie. Der junge Mann bestimmt in seiner selbstverliebten Art, welcher Gast am Steh- und welcher am Sitztisch platziert wird – ohne einen Blick darauf zu werfen, ob die seniore Dame da drüben überhaupt noch auf den Stehhocker kommt. Und wenn dann ein „Kellner der klassischen Schule“ (der im Übrigen stolz darauf ist, Kellner zu sein, was ja heute für manch andere schon fast so etwas wie ein Schimpfwort ist), der Empathie lebt und schnell umdisponiert, um eben jene hüpfenden Gästeherzen zu erleben, von dem Flipflop-Träger regelrecht vorgeführt wird bei der Ansage an die Gäste: „Ich habe hier etwas zu sagen und Sie gehen wieder an den Stehtisch“, rufe ich lautstark nach dem Kopf des Fisches in diesem Unternehmen.

Nein, keine Beschwerde. Vielleicht mag das nach Besserwisserei klingen. Dazu stehe ich, doch ich könnte nachts nicht schlafen, wenn ich nicht den SOS-Ruf absetze, dass hier bitte heute noch dafür gesorgt werden möge, dass die Diversität zwischen „Alt“ und „Jung“ ernst genommen wird. Und das in alle Richtungen: Intern in Bezug auf das Miteinander im Team, und extern, damit sich alle Gäste-Jahrgänge wohlfühlen.

Der Ego-Trip ist eine Sackgasse

Kommen wir doch alle wieder etwas runter von unserem jeweiligen Ego-Trip. Sowohl die, welche der Meinung sind, dass sie mit ihrer Lebenserfahrung ein Geschenk für die Menschheit sind und jene, die meinen, alles besser zu wissen und trotzig werden, wenn sie ihren Willen nicht bekommen. Rockt lieber gemeinsam die Welt!