Herbert – eine Geschichte vom UND
„Du, Dieter, ich gehe Montag los und kaufe ein Bett, dazu die Matratze und Bettzeug. Ach ja, nen neuen Duschvorhang bring ich auch gleich mit und wer ist im Übrigen eingeplant, die Wohnung noch Mal richtig zu reinigen, bevor Milan Dienstagabend anreist?“
„Putzen kann der selbst und wieso Bett und Matratze? Unten im Keller ist noch eine alte Matratze. Leg die auf den Boden – das reicht, der bleibt doch nur acht Wochen“, herrscht Dieter, Inhaber mehrerer Restaurants, seinen Betriebsleiter Herbert an.
Herbert stockt der Atem. Er holt tief Luft, die Backen werden dick (also die im Gesicht …) und schon meldet es sich zu Wort – sein eigenes Mantra: „Wer mich auf die Palme bringt, bestimme immer noch ich.“ Er entscheidet sich im Bruchteil eines Wimpernschlags für die Konversation mit sich selbst: „Mich aufregen? Nee, dafür nehme ich mir jetzt keine Zeit.“
Und dann, im Tonfall eines „Ich mache mir jetzt erst einmal einen schönen Kaffee“ antwortet er Dieter: „Ich verstehe, dass es dich wurmt, und ich setze mich jetzt an den Rechner und recherchier schon mal, wo ich am Montag hinfahre, um all die Dinge in einem Rutsch zu besorgen.“ Gesagt, gelächelt, gegangen.
Dieters Kopf läuft puterrot an … Schnappatmung … doch Herbert war schon aus der Tür. Gut so, denn jetzt war es Dieter, dem schlichtweg die Worte fehlten. Wieso? So wie Dieter drauf ist …
Aber oder und – der Unterschied ist enorm
Dem wurde mit nur einem Wort der Boden für mehr entzogen. Die erwartete Rechtfertigung blieb einfach aus. Umsonst gewartet auf diesen tollen Satz mit dem ABER. Für all diejenigen, denen diese Weisheit noch fehlt: Alles vor dem ABER stimmt schlichtweg nicht. Hätte Herbert hier statt mit UND mit ABER geantwortet und der Satz gelautet: „Ich verstehe, dass es dich wurmt, ABER ich setze mich jetzt an den Rechner und recherchier schon mal, wo ich am Montag hinfahre, um all die Dinge in einem Rutsch zu besorgen“, hätte Dieter ausreichend viele Funken in sein verschüttetes Öl bekommen und aus dem glühenden Nest wäre ein loderndes Feuer entstanden. Darauf wäre vermutlich ein entsetztes „Waaaaas?!?!“ gekommen und im Angriffsmodus wäre die erste Runde Rechtfertigung eingeleitet. Damit wären wir beim „Weil“ angekommen und der Schlagabtausch hätte freie Fahrt gehabt. Doch das Zauberwörtchen UND drückt mit nur drei Buchstaben eine klare Haltung aus und beendet jede Diskussion – souverän und unprätentiös.
„Ja, Moment, Herbert signalisiert doch sein Verständnis.“ Ja. Und? Verständnis verpflichtet zu nichts. Nur weil Sie etwas verstehen oder emotional nachvollziehen können, brauchen Sie es nicht für gut zu heißen. Der Mörder der vierjährigen Jessica hatte eine schlimme Kindheit, in der er von seiner Mutter schrecklich misshandelt wurde. Das diese Misshandlung allerhand Schaden auslösen kann, ist nachvollziehbar – der Mord an dem unschuldigen Kind bleibt dennoch unverständlich. Einverstanden?
Das Ärgerliche am Ärger
„Wo finde ich diesen Herbert?“, höre ich Sie fragen. „Wie macht der das? Welche Medizin nimmt der, dass der so gelassen bleibt? Ich würde schier aus dem Karton fliegen, wenn ich das zu hören bekäme.“ Ja, da bin ich bei Ihnen. Dieter ist die Art von Führungskraft, die keiner mehr will – von einer Führungspersönlichkeit sind wir weit entfernt.
Unter uns: Herbert war mal ganz anders drauf und nein, das wollten Sie nicht erlebt haben. Doch das ist Geschichte, denn er hat seinen Kompass für mehr Souveränität neu ausgerichtet. Als Betriebsleiter sind ihm scharenweise die Leute weggelaufen. Und da die bekanntlich heute genau hinschauen, wie es um die Unternehmensphilosophie steht, stand er irgendwann an dem Punkt der Entscheidung: Dicht machen oder ich habe hier ganz gewaltig was zu ändern. Das „was“ war dann „ich selbst“ und damit wurde ihm schnell klar, dass er sich dem Thema Selbstführung zu stellen hatte. Und das in allen vier Dimensionen: kognitiv, emotional, behavioral und physisch.
Seine Reise war eine intensive und eine erfolgreiche. Heute weiß er, was Kurt Tucholsky meinte, als er sagte: „Das Ärgerliche am Ärger ist, dass man sich selbst schadet, ohne anderen zu nutzen.“