„Du bist scheiße. Sammel Dich und komm wieder.“

„Ich bin kürzlich aus einem Seminar gekommen. Die haben mich da so fertig gemacht, dass ich unter dem Teppich hätte Handstand machen können.“
Wissen Sie, was der Kommentar war? „Du bist scheiße, sammel Dich und komm wieder.“
Kann ich das als Führungspersönlichkeit meinen Mitarbeitenden sagen? Nein. Denn ich habe eine Verantwortung. So wie dieser Trainer gegenüber seinen Seminarteilnehmenden.

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Doch immer wieder passiert es, dass sich Menschen mit Führungsverantwortung so verdammt wichtig nehmen. Es scheint, als ginge mit jedem Schritt nach oben auf der Karriereleiter Empathie verloren (nicht auszudenken, wie das bei denen, die davon eh kaum etwas haben, auch noch weniger wird …), während sich die Ignoranz erhöht.

Einfluss nehmen oder Macht ausüben?

So wie bei Dietmar, der in leitender Führungsverantwortung bei einer Bank arbeitet. Er hat sich, wie es so schön heißt, hochgearbeitet und das mit Fleiß, Durchhaltevermögen, einem enormen Fachwissen und insbesondere dem Willen zur Macht. Der Erfolg stand ihm zweifelsohne zu, auch wenn sich zeigte, dass die oberste Sprosse der Leiter ihn nicht trug. Der Absturz war vorprogrammiert, denn eines hatte er leider missverstanden: Erfolgreich ist nur der, der Einfluss nimmt, statt Macht ausübt.

Und das bedeutet, seinen Leuten Mut machen, statt Angst. Verbindlichkeit leben, statt Unzuverlässigkeit mit Flexibilität zu verwechseln. Sich um seine Leute kümmern, Empathie praktizieren und erlauben, Fehler zu machen, damit es eine Weiterentwicklung gibt.

Fehlerkultur mal anders …

Damit wären wir bei dem überstrapazierten Thema Fehlerkultur. Das ist wie mit der gesunden Ernährung. Alle wissen, wie es geht und doch steht allzu oft Fastfood auf dem Tisch. Damit wissen wir alle um die unsinnige Frage nach dem „WER war das?“, wenn mal etwas schiefgelaufen ist. Doch diese Frage kann auch anders gestellt werden …

Einer, der für mich in diesem Thema ein bedeutsames Vorbild ist: Bob. So nannten ihn alle. Sein offizieller Name: Robert A. Hoover. Der berühmte US-amerikanische Testpilot und Flugakrobat. Luftfahrende sehen in ihm heute noch einen der besten Piloten, die jemals gelebt hat. Bob Hoover befand sich nach einem Flugmeeting in San Diego auf dem Rückflug nach Los Angeles, wo er zu Hause war, als in einer Höhe von knapp 1.000 Metern plötzlich beide Motoren aussetzten. Durch geschicktes Manövrieren glückte es ihm, die Maschine zu landen. Sie wurde zwar schwer beschädigt, doch es wurde niemand verletzt. Nach dieser Notlandung prüfte Hoover als erstes den Kraftstoff. Wie er richtig vermutet hatte, war die Propellermaschine aus dem Zweiten Weltkrieg statt mit Benzin für Kolbenmotoren mit Flugpetrol für Düsenflugzeuge aufgetankt worden.

Klarheit, Präsenz und Verantwortung

Sobald er wieder auf dem Flugplatz war, verlangte er den Mechaniker zu sehen, der seine Maschine gewartet hatte. Der junge Mann war krank vor Verzweiflung über seinen Irrtum und Tränen liefen ihm über die Wangen, als Hoover auf ihn zukam. Er wusste, dass er den Verlust eines sehr teuren Flugzeugs und beinahe den Tod von drei Menschen verschuldet hatte.

Sie können sich Hoovers Ärger vorstellen. Und das Donnerwetter, mit dem ein so stolzer und hervorragender Pilot auf eine solche Fahrlässigkeit zu reagieren hatte. Doch nichts dergleichen geschah. Hoover kanzelte den Mechaniker nicht ab; er tadelte ihn nicht einmal. Stattdessen legte er ihm den Arm um die Schulter und sagte: „Damit Sie sehen, dass ich weiß, dass Ihnen so etwas nie mehr passieren wird, bitte ich Sie, morgen meine F-51 aufzutanken.“

Ja, Hoover hatte damals erkannt, dass er gerade eine große Summe in einen seiner Mitarbeitenden investiert hatte und durch das eigene Miterleben war er sich sicher, dass ihm dieser Fehler kein zweites Mal unterläuft.

Klarheit, Präsenz und Verantwortung effizient eingesetzt, bringen – um im Bild von Bob Hoover zu bleiben – das Miteinander im wahrsten Sinne des Wortes zum Fliegen.