Die Wissensbüchse der Pandora

Kaum geöffnet, entflog aus der Büchse der Pandora blitzartig sämtliches Übel der Welt und verbreitete sich über die gesamte Erde – nur die Hoffnung verblieb in der Büchse. So sehen es auch noch manche Unternehmens-Patriarchen, wenn es um ihr Wissen geht. Sie hüten es, als wäre es ein Geheimnis, das niemand erfahren sollte. Sie verschließen es in einem Gefäß, das bitte keiner öffnen soll. „Dabei gibt es noch so wahnsinnig viel, dass ich von meinem Vater lernen muss“, sagte der Sohn, der das Unternehmen leitet. Er ist jedoch ratlos. Wie soll er das Wissen aus der Büchse erlangen?

Credit | Patrick Reymann

Zudem befindet sich darin auch einiges an Übel. Da sind die belehrenden Worte, die ihn wie einen jugendlichen Schüler dastehen lassen. Da ist das Kopfschütteln des Vaters, weil der Junge das Unternehmen noch nicht leiten kann. Es lauert darin die Gefahr, belächelt zu werden vor den anderen Mitarbeitenden oder den Führungsleuten.

In diesem Fall ist es wohl besser, den Deckel geschlossen zu halten, oder?

Wissensteilung hat ein Ablaufdatum

Hand aufs Herz: Alle, die ein gewisses Alter überschritten haben, sind sich mehr als bewusst, dass es irgendwann zu Ende geht. Auch unser Unternehmens-Patriarch, der die 80 bereits hinter sich gelassen hat, wird in 30 Jahren wohl nicht mehr da sein – selbst, wenn ich es ihm noch so sehr gönne. Gerade in Bezug auf den unternehmerischen Kontext, haben jetzt noch einige Dinge diskutiert, aufgeräumt und weitergegeben zu werden, bevor es so weit ist. Wie lange wollen Sie also noch warten, ihr Wissen zu teilen? Im Jenseits, nach der Reinkarnation, im Nichts, im Himmel, der Hölle oder wo auch immer, wird es vermutlich nicht gebraucht.

Die Hemmschwelle ist ein Türsteher

Der Sohn steht nun also auf der Hemmschwelle vor der Tür zum Wissen. Er fragt sich: „Was will ich eigentlich von meinem alten Herrn? Was ist da an Wissen, was um Gottes willen hier im Unternehmen bleiben sollte? Und wieso bekomme ich es nicht hin, das anzusprechen?“ Ihm geht es nicht um Fachwissen oder die Kunst der Theorie, denn damit kennt er sich aus. Das hat er studiert, dazu hat er zahlreiche Bücher. Vielmehr geht es um Erfahrungswissen, um das Unternehmen, um das praktische Anpacken.

„Das lernst du schon noch …“

Der Patriarch folgt seit jeher dem Muster: Ich mache das einfach. Seit Jahrzehnten habe ich es gemacht – und jetzt soll ich das irgendwie erklären? Da bin ich raus. Das lernt der Junge schon noch! Was eigentlich dahintersteht, ist manchmal nicht eindeutig. Es kann ein: „Ihr braucht mich hier noch.“, „Ich gehöre nicht zum alten Eisen.“, „Ohne mich läuft es halt nicht.“ sein. Oder „Mal schauen, ob er reif ist für die Unternehmensführung.“ „Ich teste jetzt, was er schon kann.“ Und manchmal ist gar nicht klar, wie das Wissen aus dem Kopf den Weg herausfinden soll. Die Fragen, die am Ende bleiben, sind: Wie kann ich Wissen weitergeben? Und: Wie hole ich mir das Wissen?

Reden hilft – im Zweifelsfall zu dritt

Und ganz lapidar werfe ich Ihnen jetzt Folgendes hin: Reden Sie miteinander! So einfach? Im Grunde ja, doch immer wieder erlebe ich, dass Alt und Jung es nicht schaffen. Da kommt der Vater oder die Mutter raus, die als Eltern agieren und dem kleinen Kind etwas beibringen wollen. Dumm nur, dass es eben kein Kind mehr ist. Wenn es also allein nicht geht, sich an einen Tisch zu setzen und vernünftig Wissen zu teilen, holen Sie sich jemanden dazu, der Sie zusammenbringt. Der Sie ermutigt, gewisse Dinge zu diskutieren. Der Stück für Stück die metaphorische Büchse der Pandora mit Ihnen öffnet. Und wenn all das Übel verklungen ist, bleibt letztlich der Wissensschatz, der die Zukunft Ihres Unternehmens sichert.

Wissen und Impulse gibt es auch in meinem Buch „Fakten brauchen Hirn: 5 Sterne für Leader.“ Lesen Sie gerne rein.