Die Medaille hat immer noch zwei Seiten. Keine drei

„Ich habe keinen Bock mehr. Es kotzt mich sowas von an. „Seien Sie transparent in dem was Sie tun.“ „Nehmen Sie Ihre Leute mit auf den Weg.“ „Offenheit. Es geht um Offenheit. Verheimlichen Sie denen nichts.“ Das hören wir hier seit Monaten. Lächerlich. Mein Chef hat einen neuen Boss bekommen. Und das Erste was der macht, ist eine neue Führungsebene einbauen. Ja, auch zwischen mir und meinem Chef hat der jetzt einen eingesetzt. Das darf der gar nicht. Ich bin fachlich viel besser und außerdem gilt es langjährige Firmenangehörige zu bevorzugen, bevor hier jemand von außen reinkommen darf. Doch was mich am meisten ärgert: Das alles wurde beschlossen, ohne mit uns darüber zu reden. Ich bin wütend. Mehr noch: Ich bin maßlos enttäuscht. Fühle mich hintergangen. Doch das lassen wir uns nicht gefallen. Meine Jungs und ich … wir haben da schon einen Plan. So nicht!“

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Nachdem Thomas das in unserem Telefonat herausposaunt hatte, atmete er tief durch und das Gefühl von „stolz wie Bolle“ war ihm klar anzuhören.

 

„Aha“, entfuhr es mir, „ein paar große Jungs, die jetzt beleidigt in ihrem Bürosandkasten sitzen und sich darüber ärgern, dass der frisch zugezogene große Junge die Sandburg zertreten hat.“

 

Stille. Dann herzhaftes Lachen. Das Eis war gebrochen und jetzt konnten Thomas und ich mit etwas Abstand zu diesem, für meinen Klienten sehr emotionalen Erlebnis in aller Ruhe darüber reden, was hier passiert war und welche Optionen sich bieten.

 

Love it, change it or leave it

„Mir fällt da Henry Ford mit seinem ‚Love it, change it or leave it‘ ein“, sagt Thomas. „Doch wenn ich darüber nachdenke, was wir gerade besprochen haben… eine Medaille hat doch nur zwei Seiten, keine drei?!“

 

Wie passen diese beiden Dinge jetzt zusammen? Eine Medaille mit zwei Seiten und die Wahl, zwischen etwas ändern (sich selbst oder gegebenenfalls die Ursache), etwas lieben zu lernen oder ziehen zu lassen?

 

Sind wir ehrlich: Eine Frau lässt sich an einer Bar vielleicht schön trinken und mancher Kerl wird dadurch attraktiver. Doch lieben lernen im Business? In Führungsthemen?

Feststellung 1: Es beginnt immer bei mir selbst. Ich entscheide, wie es weitergeht.

„Puh, also raus aus der Komfortzone?“, fragt Thomas? Na, zumindest mal raus aus dem Jammertal.

Feststellung 2: Das „change it“ steht über allem.
Bei einem „ja“ und auch bei einem „nein“.
Was auch kommt: Es geht um Veränderung. Wie ich diese wahrnehme, wie diese auf mich wirkt, was diese in mir auslöst, mit mir macht: Das bestimme ich. Was auch immer sich ändert: Es liegt an mir.

  1. Ich kann es lieben und finde das super.
  2. Ich kann es anzweifeln und mache mich auf den Weg, meine Haltung zu überprüfen.
    Hier helfen Fragen wie:
    • Was kann ich selbst aus der Situation lernen?
    • Gibt es negative Folgen, wenn ich mich der Situation jetzt bewusst positiv stelle?
    • Gibt es gegebenenfalls sogar einen Zugewinn für mich, wenn ich auch in der neuen Konstellation bei mir bleibe und weiterhin für das stehe, wofür ich heute bereits antrete und wofür ich wertgeschätzt werde?
  3. Ich kann das per se ablehnen. Dann ist alles klar und das „leave it“ definiert.

Wenn ich das, worum es geht, nicht liebe, wieso mache ich es dann? Ist diese Unzufriedenheit etwa das, was mich antreibt? Wir alle haben Motive, nach Steven Reiss 16 an der Zahl, doch Unzufriedenheit kommt da nicht drin vor. Okay, ist das auch eher ein Empfinden als ein Motiv. Doch kennen Sie Ihre Motive und damit Ihre Motivation? Wissen Sie um Ihre Bedürfnisse und damit um das, was Sie brauchen? Was Ihnen wichtig ist?

Zählt ein „Jein“ als Antwort?

Also nur schwarz oder weiß – ja oder nein? Doch was ist mit dem „jein“?

Kaum zu glauben, doch das Wort „jein“ steht sogar im Duden und bedeutet in dieser Schreibweise weder „ja“ noch „nein“. Lesen wir es als „jein“, sind wir bei einem vielleicht. Für viele Menschen ein Wort das Feigheit ausdrückt, doch in der Prüfung der eigenen Haltung steckt darin eine Option, eine Entscheidungsvorlage. Am Ende bleibt es dabei: „Ja“ oder „Nein“. „Love it“ oder „Leave it“.

Verbiegen, eine Lösung?

Es gibt Menschen, die sich auf alles und jede Person einstellen. Da kann kommen was und wer da will. Die kriegen das immer hin. Die verbiegen sich auf Teufel komm raus. Wieso machen die das? Das ist doch ungesund. Ja, das ist ungesund!

Erkenntnis 1: Es gibt einen ganz bestimmten Grund, wieso diese Menschen nur hier und nirgendwo anders arbeiten wollen. Oft finde ich dies bei partnerschaftlichen und familiären Entscheidungen. So, wie manche Menschen für die Liebe ihres Lebens auf die andere Seite der Erde ziehen, so bleiben manche Menschen der Liebe wegen genau an diesem Ort und wenn es keine berufliche Alternative gibt, dann committen sich diese Menschen damit in einer fast schon bewundernswerten Weise.

Erkenntnis 2: Diese Menschen sind nicht bei sich. Sie kennen sich nicht. Sie haben leider keine Antwort auf die so bedeutende Frage: Wofür stehe ich? Was macht mich aus? Wofür trete ich ein?

Keine der beiden gerade beschriebenen Menschen sollten bitte FührungsverantWORTung übernehmen. Denn Führung beginnt immer bei uns selbst. Führungspersönlichkeiten haben Persönlichkeit, wie es das Wort schon sagt. Bleiben bei sich, halten Wort und sind damit verlässlich und berechenbar.

Nochmals zum „leave it“

Ein „nein“ kann auch eine Liebeserklärung sein.

Ich lasse mir das nicht kaputt machen. Auch mich nicht. Der Moment der Erkenntnis aus Feststellung 2, Punkt 2: Wenn ich erkenne, dass ich meine Haltung zwar ändern könnte, mich diese jedoch auf mittelfristige und schon gar nicht auf lange Sicht glücklich macht, dann bitte treffen Sie eine Entscheidung. Eine Entscheidung für sich. Und tragen Sie die Konsequenz. Seien Sie sich das wert.

Feststellung 3: Ich sage nicht „ja“ oder „nein“ zu etwas, sondern immer zu wem.

Kommen wir nochmals kurz zu Thomas. Er hat sich dafür entschieden, seine Haltung zu überprüfen. Er hat erkannt, dass es keinen Sinn macht, dem neu zugezogenen Backförmchen aus Papier, statt aus Metall zu geben. Schließlich will die Strandburg wieder aufgebaut werden.

Plötzlich erkennt er, welche Freude darin steckt, das Neue kaum erwarten zu können. Weil er seine Antworten gefunden hat. Weil er um seine Motive weiß. Um seine Werte. Sein Verhalten und auch seine Wirkungs- und Wahrnehmungskompetenz.

Er ist so fasziniert, dass er dazu direkt mit seinen Jungs sprechen will.

„Love it“ or „leave it“. Mal schauen, für welche der beiden Seiten der Medaille er sich entscheidet.