Das hat mich wie ein Blitz getroffen. Seitdem weiß ich gar nicht mehr wie …

„Ich soll mich mal um die Unternehmenskultur kümmern“, sagt der Big Boss.
„Das bisschen Unternehmen macht sich von allein“, sagt mein Boss.
„Das bisschen Unternehmen kann so schlimm nicht sein“, sagt mein Boss.
„Wie ein Chef sich überhaupt beklagen kann, ist unbegreiflich“, sagt mein Boss.
„Das bisschen Mitarbeitermotivation ist doch halb so wild“, sagt mein Boss.
„Was für die Unternehmenskultur ganz genauso gilt“, sagt mein Boss.
„Wie der Chef von heut‘ darüber stöhnen kann, ist ihm ein Rätsel“, sagt mein Boss.

Und „zack“ hat sich der Ohrwurm ins Gehirn geschlichen …

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Kulturwandel zwischen Mittagessen und Kaffeetrinken? Wohl kaum! Und noch nicht einmal über Nacht!

„Ich weiß nicht, ob mein Boss verstanden hat, dass wer heute wirklich einen Kulturwandel in seinem Unternehmen vollziehen will, wer sich wünscht, dass diese Kultur kein oberflächliches Geplänkel bleibt, sondern verinnerlicht und gelebt wird – nach innen, wie nach außen –, dass es hier gilt, in drei Dinge zu investieren: Ausdauer, Geduld und Zeit. Und keines der drei habe ich gerade.“

Achtung: der Neue kommt

Ein alteingesessenes Familienunternehmen, ist seit Jahrzehnten mit Werten wie einer förmlichen Anrede und einer damit verbundenen Wertschätzung groß geworden. Ein Senior-Unternehmensboss, der zwar nicht die Allüren eines Patriarchen hat und dennoch klar Regie führt und Dank dessen mittlerweile ein richtiger Konzern entstanden ist, der international floriert und durchaus als Marktführer seiner Branche bezeichnet werden darf.

Dann kommt „der Neue“ – und an dieser Stelle hake ich kurz ein, denn „der Neue“ hätte auch eine „die Neue“ sein können. In diesem Beispiel, welches der Realität wahrhaftig entspricht und rein aus Diskretions- und Datenschutzgründen Namen umschifft werden, war es ein Mann, sodass ich hier diese Formulierung wähle.

Also … Da kommt „der Neue“, CEO, jung, dynamisch, energiegeladen. Er hat bereits für einige Zeit erfolgreich in einem Land gelebt wie gearbeitet, das weit ab von Europa liegt und in dem die Anrede des „You“ doch so vollkommen „easy“ war und ist. Und genau diese Person kommt und ordnet mal eben per kurzem Memo an: „… ab sofort haben sich alle Mitarbeitenden im persönlichen wie schriftlichen Wort zu duzen, und das über alle Hierarchieeben. …“

Der verantwortlichen Person war vermutlich nicht bewusst, dass sie durch die Einführung dieser Maßnahme einen Kulturwandel im Unternehmen in Gang bringt oder brachte.

Das „Unternehmensbild“ fällt klirrend zu Boden

Kurz nach dieser „Ansage“ traf ich eine gestandene Führungspersönlichkeit mit Verantwortung für den gesamten europäischen Markt in diesem Unternehmen. Die 50 Jahre überschritten und mit Werten aufgewachsen, in denen insbesondere das „Sie“ und „Du“ einen eigenen Stellenwert haben. Und nun im Überfallmodus „… Ab sofort haben sich alle Mitarbeitenden im persönlichen wie schriftlichen Wort zu duzen, und das über alle Hierarchieeben. …“ vor neue Tatsachen gestellt wird.

Es schien, als sei das „Unternehmensbild“ von der Wand gefallen. Und nicht nur der Rahmen war in die Brüche gegangen, sondern die Scheibe in abertausende Teilchen zersprungen – kaputt war die Welt, in der sich bis hierhin doch alles gut anfühlte.

Um das klarzustellen: es geht hier nicht um das Thema Komfortzone – die gibt es hier nicht. Es geht darum, als Unternehmensleitung dafür zu sorgen, dass diese wertvollen Bilder eben nicht von der Wand fallen, auch dann nicht, wenn die Wand verrückt wird oder ein Orkan durch den Flur fegt.

Meuterei auf dem Unternehmensschiff?

Wenn schon die Führungspersönlichkeiten an einem solchen „Memo“ für sich in ihrer Wertevorstellung scheitern – wie sollen denn dann noch die Mitarbeitenden mitgenommen werden?

Das hat nichts mit Meuterei zu tun, sondern damit, seinen Beitrag für das Unternehmen mit Empathie zu leisten, mit Wertschätzung für die Gäste, Kunden, Mandanten, Patienten – die internen (Mitarbeitenden) wie externen (die Personen, die ihre Scheine und Münzen für das angebotene Produkt oder die offerierte Dienstleistung abgeben).

Und das gilt nicht nur für jedweden CEO, das gilt für jedes Unternehmen, angefangen bei den smarten Familienbetrieben und den klein- und mittelständischen Unternehmen. Wir alle haben inzwischen verstanden, dass „die alte Boss-Mentalität“ ihr Ende findet, um nicht zu sagen keine Überlebenschance mehr hat. „Zuckerbrot und Peitsche“ bringt keinen richtig guten Mitarbeitenden mehr dazu, die in der Person angelegten Potenziale zu entfalten, Verantwortung zu übernehmen und sich mit Leidenschaft und Begeisterung einzubringen.

Und wer will sie nicht? Die Mitarbeitenden, die den Karren ziehen, statt die, die nur nebenherlaufen oder schlimmstenfalls sogar auf dem Karren sitzen, um sich ziehen zu lassen. Wer möchte, dass sich seine Mitarbeitenden kreativ und engagiert für die Unternehmens- und Projektziele einsetzen, hat eine Führungs- und Arbeitskultur zu schaffen, die alle Beteiligten zu neuem Verhalten einlädt, inspiriert und ermutigt.

Kultur – die Basis des Miteinanders

Eine Unternehmenskultur versteht sich als ein System, in dem es gemeinsam geteilte Muster des Fühlens, Denkens und Handelns gibt, die mit definierten Werten und Normen vermittelt werden, welche die Entscheidungen, Handlungen und das Verhalten aller Organisationsmitglieder prägen. Dies ist im Übrigen bereits seit dem 17. Jahrhundert so, dass „Kultur“ als Basis und Bedingungsstruktur für das soziale Miteinander ist.

Schon hier ist zu erkennen, dass eine Unternehmenskultur ohne Kommunikation gar nicht denkbar ist und genau hierin liegt die Herausforderung. Darüber hinaus wird deutlich, dass jede Handlung eines Mitglieds dieser Kultureinheit nicht sich selbst kulturell beeinflusst, sondern die gesamte Unternehmenskultur.

In der Vergangenheit wurde eine Veränderung in einer solchen Kultur oft erst dann angestrebt, wenn die bisherigen Strategien keine Wirkung mehr zeigten und gefühlt bis sichtlich die Talfahrt angesagt war. Heute, im Zeitalter dessen, dass Agilität in die Unternehmen einzieht, in dem die in hohem Tempo fortschreitende Digitalisierung, die zunehmende Globalisierung und auch der Generationswandel auf alles im Unternehmen Einfluss haben, wird ein Kulturwandel auch schon einmal als proaktiver Schritt in Richtung Zukunft angegangen. Gut so!! Nun gilt es „nur“ noch zu schauen, dass dieser so überlegt angegangen wird, dass er auch wirklich zum erwünschten Erfolg führt.

Der Kulturwandel – Eine Mission

Eines ist hoffentlich bis hierin schon bewusst geworden: ein Transformationsprozess, wie ein Kulturwandel einer ist, gelingt nur dann, wenn er mit Kompetenz gestaltet ist und wahrhaftig von allen Beteiligten aller Unternehmensebenen mit von innen getragener Überzeugung gelebt wird.

Schon der Arzt Albert Schweitzer sagte seiner Zeit

„Das Heil der Welt liegt nicht in neuen Maßnahmen,

sondern in einer anderen Gesinnung.“

Es ist doch so: In den Köpfen der Menschen in einem Unternehmen gibt es Handlungsmuster, die teilweise schon „Tradition“ haben. Wir Menschen sind „Gewohnheitstiere“ und somit bedarf es an Zeit und auch an Gelegenheiten, neue Erfahrungen zu machen, die sodann (hoffentlich) angenehmer und für die einzelne Person bereichernder sind als die bisherigen. Nur dann gelingt der Wandel, der bisher im Unternehmen gelebten Denkstruktur, Organisationskultur und der Beziehungsmuster.

Das bedeutet: Weg von der Kultur, in der eine Arbeitskraft den Stellenwert als reine Ressource innehat. Heute geht es darum, dass Potenziale entfaltet werden können. Die Kunst besteht darin, ein Umfeld zu schaffen, in dem Wertschätzung und Inspiration Raum haben, sodass jeder für sich und das „wir“ des Unternehmens ohne Grenze nach oben wachsen kann. Wie von selbst stellen sich dadurch Motivation und Freude am Tun ein, was die Erhöhung der Leistungsbereitschaft zur Folge hat.

Es bedarf also eines Fahrplans, der das gemeinsame Verständnis von Kooperation, der Zielkultur, den Stolper- und Meilensteinen darstellt. Diese Vorarbeit ist das A und O eines jeden Kulturwandels. Vergleichen Sie es mit einer großen Reise, die dann, wenn sie zielorientiert ist, ebenso mit einer guten Planung beginnt. Ein Kulturwandel ist eine solch große Reise des Unternehmens.

Ja, ein Kulturwandel ist eine Mission, denn es gilt, weg von der Wettbewerbskultur hin zu einer Kooperationskultur zu kommen. Das „wir“ rückt noch stärker in den Vordergrund, das Thema Kooperation gewinnt massiv an Bedeutung.

Und das „wir“ beginnt bei jedem einzelnen „ich“.